Das Dirndl trägt Dirndl
Das Dirndl erlebt seit einiger Zeit einen regelrechten Boom! „Wiesn-Feste“ nach Vorbild des Oktoberfestes in München, finden nicht nur im ländlichen Bereich statt, sondern erobern auch die Großstadt Wien. Jungdesigner kreieren phantasievolle Dirndln und auch namhafte Modeschöpfer nehmen sich vermehrt dieser Mode an. Wer etwas auf sich hält, besitzt ein angesagtes Designer-Dirndl!
Ich möchte mich daher mit der Geschichtsvergessenheit dieses Phänomens befassen. Dazu muß man sich vorerst mit der Geschichte des Dirndls auseinandersetzen:
Was man heute unter einem Dirndl versteht, sollte nicht mit einer regionalen Volkstracht verwechselt werden. Das heute bekannte Dirndl wurde zwar durch regionale Trachten geprägt, hat aber keinen bestimmten regionalen Bezug.
Woher stammt das Dirndl?
Ursprünglich war das Dirndl ein Arbeitskleid der weiblichen Bediensteten, einer in der Landwirtschaft beschäftigten Magd. Die sogenannte „Dirn“ war eine mundartliche Bezeichnung für Mädchen und das „Dirndlgewand“ daher das Kleid des Mädchens. In Folge wurde es dann zum „Dirndl“ verkürzt.

In der Monarchie trugen Adelige und Großbürger – auch viele jüdische Großbürger – in der Sommerfrische Trachten. Kaiser Franz Joseph war Vorbild dafür.
Traurige Vergangenheit – Trachtenverbot für Juden
Eines der ersten Gesetze 1938 war das Trachtenverbot für Juden. Ihnen war die Nutzung von Volkskultur verboten, obwohl diese sie zum Teil besser dokumentierten als alle Volkskundler damals und nachher.
Gertrud Pesendorfer, die „Reichsbeauftragte für das Trachtenwesen“, ließ für die deutsche Frau ein deutsches Dirndl entwerfen. Sie hat systematisch die Form von Dirndln verändert, das wurde im nationalsozialistischen Sinn „erneuerte Tracht“ genannt. Das Dirndl wurde „entkatholisiert“. Pesendorfers erklärtes Ziel war es, die Tracht von „Überwucherungen“ und „artfremden Einflüssen“ zu befreien. Sie entfernte die geschlossenen Kragen, die Arme wurden nicht mehr bedeckt und sie kreierte die geschnürten und geknöpften Oberteile, die bis heute stilbildend für zeitgenössische Dirndlformen ist. Das Dirndl wurde modernisiert und erotisiert!
Schleife links, rechts, oder hinten? Bräuche um das Dirndl




Heute bezeichnet der Begriff „Dirndl“ ein Kleid mit engem, oft tief rechteckig oder rund ausgeschnittenem miederartigem Oberteil, weitem in der Taille angesetztem gezogenem oder gefälteltem Rock, dessen Länge mit der herrschenden Mode variiert, und Schürze. Die Schleife, mit der die Schürze gebunden wird, symbolisiert den ehelichen Status der Trägerin. Ist die Schleife rechts gebunden signalisiert sie, dass sie vergeben sei. Auf der linken Seite bedeutet, sie wäre noch frei. Hinten gebunden soll vermitteln, dass die Trägerin Witwe ist. Woher diese Regeln stammen, läßt sich jedoch nicht nachvollziehen und werden auch kaum mehr angewandt.
Dazu wird meist eine weiße Dirndlbluse getragen sowie ein Schultertuch oder ein kurzes Halstuch. Ein Kropfband mit Schmuckanhänger oder trachtiger Granatschmuck vervollständigen das Dirndl.




Das Dirndl ist auch heute wieder gefragter, denn je




Viele meiner Freundinnen sind begeisterte Dirndl-Trägerinnen, die der festen Meinung sind, es gäbe keine weiblichere Kleidung als das Dirndl.
Aber wie jeder Boom, ist es erst einmal ein Geschäft, und auch ich greife diesen Trend in meinem Laden auf. Es gibt wirklich schöne VINTAGE-Dirndln, und ich muß ehrlich zugeben, Tracht kleidet einfach.
Übrigens – im Jahr 2016 brachte die Österreichische Post eine gestickte Briefmarke in Form eines Dirndls heraus.
Ingrid Raab
Paris Hilton im Dirndl 2006
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