Mit einem modernen Elektroauto einfach ‘nur so’ in der Gegend herumfahren und sich am enormen Schub der 400 Pferde erfreuen kann jeder. “Da mache ich lieber einen Praxistest!”, entschloss ich umgehend. Ich habe in Gamlitz zu tun – das erledige ich mit dem Jaguar I-PACE. Gute Idee!
Außergewöhnliches Design
Den Jaguar I-Pace wirst du – im Vergleich zu den anderen Jaguar-Modellen – rein optisch sofort als ‘anders’ wahrnehmen. Durch das extreme Cab-Forward-Design und die Optimierung auf den Elektroantrieb ergibt sich ein eigenständiges Aussehen. Der I-Pace weiß nicht so genau, ob er ein SUV, ein SUV-Coupé, ein Crossover, eine Limousine, etc. sein will. Egal – er ist, wie er ist.

Die Frontpartie zeichnet das typische Jaguar-Gesicht mit den schmalen Scheinwerfern und dem Kühlergrill im Jaguar-Style. Jaguar-eigen auch die Chromumrahmung der Seitenscheiben.
Innenraum mit Premium-Anspruch
Im Innenraum findest du hochwertige Materialien in einer exzellenten Verarbeitung. Die Bedienelemente inklusive der beiden TouchScreens in der Mittelkonsole sind gut bedienbar. Die glatten Oberflächen wirst du innerhalb kürzester Zeit mit Fingertappern übersät vorfinden – ist ja auch ein TouchScreen. An den beiden großen Drehknöpfen für die Klimasteuerung wirst du Gefallen finden.




Dort, wo du du mit dem Auto mit der Hand in Kontakt kommst, fühlt es sich gut an. Das Lenkrad, die Bedientasten darauf, die Lenkstockhebel, die Tasten, das Leder der Armauflage und des Türgriffs. Du nimmst diesem Elektroauto ab, in der Premium-Liga zu spielen.
Platz genug im Jaguar I-PACE
Der lange Radstand, die kurzen Überhänge und die kurze Fronthaube kommen den Insassen zu Gute. Platz gibt es ausreichend. Die niedrige Dachlinie lässt den I-PACE zwar schnittig daher kommen, das geht jedoch in der Kopffreiheit etwas ab. Bei über 500 Liter Kofferraumvolumen können die Passagiere ausreichend Gepäck bunkern.




Die Sitzmöbel sind eines Oberklasse-Fahrzeuges würdig. Edles Leder, das sich gut anfühlt und angenehm gepolstertes Gestühl. Auch hier: ein gelungener Kompromiss zwischen Komfort und gutem Seitenhalt.
Komfortable Sportlichkeit
Das Fahrwerk bietet einen guten Mix zwischen Komfort und Sportlichkeit – ein SUV wird sowieso nie ein Rennauto. Die Luftfederung trägt das Ihre zum gelungenen Fahrgefühl bei. Somit erfreust du dich am geräuscharmen Gleiten über die ‘roads to nowhere’ – bzw. nach Gamlitz, mein geplantes Reiseziel.




Gamlitz – eine ReiseerFAHRung
Ein E-Auto Rookie wie ich lässt Vorsicht walten und plant so gut wie möglich. Also: Wien – Gamlitz ca. 250 Km. Nach Adam Riese geht sich Hin- und Rückfahrt bei einer vom I-PACE angezeigten Reichweite von 390 Km nicht aus. Nicht so schlimm, dann wird eben zwischendurch einmal aufgeladen – es geht ja nur um 100 zusätzlich benötigte Reichweiten-Kilometer. Und die Akku-Kapazität von 90 Kwh klingt eher beruhigend – zumindest am Papier.




Los geht’s!
Abfahrt von Wien. Restreichweite 390 Km. Zunächst das übliche Dahingetümpel auf Wien’s Traditions-Stadtautobahn – da kommt Freude auf, weil wenig Energieverbrauch. Auf der ‘Süd’ geht’s weiter. Ab der Stadtgrenze mit max. 120 Km/h und im ‘Eco’-Mode zum Strom sparen. Ach ja… Bei Pinkafeld, ca. 125 Km vom Startpunkt entfernt, sollten noch 265 Km Restreichweite vorhanden sein. Aber nein: nur mehr 210 Km!!! “Wir Autotester sind ja allzeit flexibel. Das bekommen wir schon hin”, redete ich mir erfolgreich ein. Der E-Tankstellen-Finder avisiert mir einen Schnelllader ein paar Kilometer vor meinem aktuellen Standpunkt. Dort angekommen: Schnellader gibt’s hier keinen mehr. Zum ‘normal’ laden mit ca. 5 Km Reichweite pro Stunde fehlt mir die Zeit. Nächster Schnelllader in weiteren 20 Km – ja, das passt gut. Ich häng den Rüssel an und der Ladevorgang startet. Ich rechne mir aus: 1 Std. laden, dann ist die Batterie wieder ausreichend voll. In der Zwischenzeit werde ich mir ein Frühstück gönnen – das war ja so eingeplant.




Nach der besagten Stunde, wieder zurück beim Auto: nach ca. 5 Minuten brach das Laden ab, weil die Ladesäule den Geist aufgab. Die zweite Säule belegte soeben ein Strom suchender E-Auto Besitzer. Der Adrenalinspiegel etwa so hoch, wie die Stimmungslage tief, setzte ich die Fahrt zur nächsten Schnelllade-Möglichkeit fort – mit max. 90 Km/h und im Windschatten eines flotten Schwerlasters. Schnell war eine ganze Litanei an unschönen Kraftausdrücken gefunden. Und wieder Pause.
Pausen sind wichtig
Mehr als 1 Stunde an der Box, um halbwegs Reichweite zu generieren. Mein Plan war, etwas früher am Zielort einzutreffen, um bis zum Treffpunkt einen Relax-Spaziergang durch den Wald zu genießen.




Fakt war eine 20-minütige Verspätung und ein verärgerter Geschäftspartner. Danke I-PACE! Die Rückfahrt nach Wien musste trotz 120 Km/h Schleich-Tempo durch eine Ladepause unterbrochen werden.
ReiseerFAHRungsresumeé
Mein Resumeé aus dieser Erfahrung: bis zu einer Tageskilometerleistung von ca 300 Km wirst du mit dem Jaguar I-PACE deine Freude ungetrübt genießen können. Für weitere Distanzen empfehle ich dir auf ein Auto mit Verbrennungsmotor oder auf ein alternatives Verkehrsmittel auszuweichen – das Spart dir zumindest Nerven.




Kraft auf Sanftpfoten
Wenn der Jaguar seine Arbeit verrichtet, dann macht er das richtig gut. Zwei Elektromotore stemmen kräftige 400 PS auf alle vier Räder. Und wenn er die imaginären Muskeln spannt, krallen sich 700 Nm Drehmoment vom Stand weg in den Asphalt – das ist richtige Power! So vergehen gerade einmal 4,8 Sekunden von 0-100 Km/h. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei elektronisch limitierten 200 Km/h.




Die One-Pedal-Bedienung irritiert anfänglich. Doch nach einigen Kilometern gewöhnst du dich daran und willst es nicht mehr missen. Strom geben und bremsen mit dem Fahrpedal. D.h., wenn du vom Strom gehst, bremst der I-PACE automatisch und rekuperiert die gewonnene Energie. Damit lädt er seine Batterie wieder etwas auf. Bei Vorausschauender Fahrweise werden die Bremscheiben bald mehr als nur Flugrost ansetzen und sich kaum abnutzen.
Botschafter der Zukunft
Die Politik sieht in der Elektromobilität die Zukunft – lassen wir das wertfrei so stehen. Der Jaguar I-PACE ist einer der Botschafter für die Stoßrichtung individueller Mobilität der nächsten Jahre (und Jahrzehnte?). Bei den Vienna Classic Days 2021 half unser Testauto mit, diesen Technologiesprung real zu visualisieren.




Am Stand des Jaguar Daimler Owners Sports & Touring Car Clubs (www.jodost.at) posiert der moderne, zukunftsträchtige I-PACE neben dem wunderbaren Jaguar E-Type, der kürzlich das 60jährige Jubiläum feierte und zu dem der große Enzo Ferrari meinte: „Der Jaguar E-Type ist das schönste Auto der Welt“. Und wer möchte dem Commentatore schon widersprechen?
Fazit des Redakteurs
Der Jaguar I-PACE wird dem Premiumanspruch des Herstellers gerecht. Verarbeitung und Ambiente befinden sich auf Top-Niveau. Suchst du das Flair der alten Engländer, wirst du enttäuscht sein – wir befinden uns in der Moderne. Mehr als genug Power und ein bravouröses Fahrvergnügen stehen auf der Haben-Seite. Wenn du über Nacht die Batterien laden kannst und dir eine Tagesreichweite von bis zu 300 Km ausreicht, dann solltest du diesen exklusiven Elektro-Jaguar in Betracht ziehen.
Daten & Fakten des Testfahrzeuges
- Fahrzeug: Jaguar I-PACE EV400 HSE
- Motor: Elektro
- Leistung kW/PS: 294/400
- Drehmoment Nm: 700
- Kraftübertragung: 1-Gang Elektroantrieb
- Antriebsart: Allradantrieb
- Beschleunigung 0-100 Km/h: 4,8 Sek.
- Höchstgeschwindigkeit: 200 Km/h
- Reichweite (WLTP-Norm): 407 – 470 Km
- Stromverbrauch (WLTP-Norm): 22,0 – 25,2 kWh/100 km
- Testverbrauch: ca. 28 kWh/100 Km
- Länge: 468,2 cm
- Breite: 201,1 cm (inkl. Außenspiegeln)
- Höhe: 156,6 cm
- Radstand: 299,0 cm
- Wendekreis: 11,98 m
- Kofferraumvolumen: 505-1.453 Liter
- Batteriekapazität: 90 kWh
- Leergewicht: 2.208 Kg
- Reifen: 245/50 R 20
- Preis des Testautos: EUR 94.700,-
- Online-Konfiguration des Testfahrzeuges: Jaguar Konfigurator
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Text und Fotos: Andreas Icha