Hüttenterror und andere Begegnungen
Kotzattacken, Partyvolk und ein früher Aufbruch
Die Herberge
Wenn man einmal in Sao Pedro des Rates in der Herberge ist, ist alles gut, denke ich und beziehe mein Bett. Danach suche die Waschküche. Eine etwas dominante Mitpilgerin, Karen, Krankenschwester, 43, aus Wuppertal, zieht mich souverän in die unteren Stockwerke und erklärt mir im Stakkato wie ich meine Wäsche am besten zu waschen habe. Das ich meine Wäsche mit Shampoo wasche, gefällt der Deutschen zunächst nicht. Sichtlich beeindruckt ist sie aber über meine Argumentation. Wozu Waschmittel mitschleppen, wenns mit Shampoo genauso gut geht. Ich wasch mein Zeug auf einem Waschbrett, wie in Omas Zeiten. Vor allem die Bambussöckchen die ich unter den Wandersocken trage, haben es nötig. Flugs alles in die Sonne gehängt, suche ich den Gemeinschaftsraum.
Mein Tipp
Tipp: Wandersocken trocknen schlecht. Wenn du dir das ständige Waschen ersparen willst, trage unter den Wandersocken Bambussöckchen ohne Nähte. Ausserdem ist der Tragekomfort besser und verhindert Reibungsverletzungen wie Blasen! Diese Söckchen bekommst du oft im Reformhaus. Sie nennen sich Diabetiker Söckchen.
Viele Köche verderben den Brei
Im Innenhof finde ich einen schönen großen Holztisch im Schatten und schneide meinen Käse auf, hole die Chorizo, welche ich mir noch in Vale de Condo besorgt habe. Ich schneide daraus kleine runde Wursträdchen und will schon mit meinem klassischen Pilgermenue beginnen, da reicht mir jemand frische Weintrauben dazu. Pedro, 56, Portugiese, klassisch gekleidet mit Pilgerhut, Grünem Cape und einem beeindruckenden Baumstamm, den er mit natürlicher Leichtigkeit als Pilgerstab verwendet. Ich würde unter diesem Gewicht zusammenbrechen.
Mein neuer „Freund“ – Pedro, der Hühne mit dem Baumstamm
Ich lade ihn ein, mit mir zu essen und biete ihm vom reichlichen Käse und Wurst an. Er freut sich, nickt mir zu und erzählt mir auf englisch, daß er den Weg jedes Jahr einmal geht. Ein nettes Gespräch, wenn auch holprig entwickelt sich. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß wir uns kennen. Dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen. HAGRID! Er hat schon etwas von dieser Romanfigur aus Harry Potter.
Tipp:Wann immer du einen Markt, oder Supermarkt siehst, gehe einkaufen. Manchmal sind die Strecken länger als gedacht und in Portugal hat es am Jakobsweg nicht so viele Rasthäuser, wie in Spanien. Gut eignet sich Obst, Nüsse, Hartkäse und die getrockneten Würste. Überprüfe auch gleich mal deinen Wassevorrat. Ab und an auch mal ein Iso Getränk mitnehmen.
Party bis nach Mitternacht
Im Gemeinschaftsraum geht es hoch her. Die serbischen Jugendlichen haben Selbstgebranntes mitgebracht. Hier wird gefeiert das der alte Sao Pedro in seinem Grab Step tanzt!
Schon lange nach Mitternacht sorgt das überforderte Herbergspärchen irgendwie dafür, dass die Meute sich nun endlich in die Schlafzimmer verzieht. Doch jetzt geht der Terror so richtig los. Es wird geraschelt umgeräumt, umgezogen, unterhalten, gekichert. An Schlaf ist so nicht zu denken. Plötzlich werden auch noch Schlafräume getauscht und eine Gruppe kommt vom benachbarten Schlafraum jetzt in unseren Schlafraum, und so weiter und so fort und es ist kein Ende abzusehen. Ich bin schon ziemlich genervt. Selbst mit Ohrenstöpsel hast du hier keine Chance auf Schlaf.
Alkoholisierte Jugendliche
Der kleinen Serbin ist vom Selbstgebrannten gewaltig schlecht. Sie heult und wankt irgendwie in Richtung meines Stockbettes. Sie hat ihren Platz doch anscheinend tatsächlich über mir! Und damit ist das Unheil vorprogrammiert. Denn plötzlich, nach dem endlich mal eine knappe Stunde Ruhe war, wird’s dem Dummchen über mir schlecht. Und zwar so schlecht, daß sie kurzerhand vom Bett kotzt.
Über meinem Rucksack ergiesst sich ein Schwall Nudeln mit Matsch und dem Geruch nach Hochprozentigem. Ich bin nicht erfreut. Sie weigert sich das wegzuputzen. Ihr Freund greift ein und versucht mit Toilettenpapier, den Rucksack zu säubern. Dadurch reibt er aber das Zeugs noch eher gründlich ein! Ich reisse ihm meinen Rucksack aus der Hand, renne in die Waschräume und brause das gute Stück kurzerhand ab. Gott sei dank ist er wasserfest. Erst als ich nichts mehr von Nudeln Sauce oder Serbienschnaps sehe und rieche, kehre ich zurück in mein Bett. Guten Morgen. Es ist 4:30 Uhr.




Weil ich vor Zorn sowieso nicht mehr schlafen kann, ziehe ich mich an – LAUTSTARK – huste LAUTSTARK und blende die ganzen kleinen Saufkumpanen hier, mit dem Mobile Phone Licht. Genauso rücksichtslos, wie sie sich verhalten haben, bekommen sie es jetzt von mir eiskalt retour.
Nach einer halben Stunde bin ich reisefertig und setze meinen Weg fort. Noch im Dunkeln verlasse ich diese unselige Herberge in Sao Paulo de Rates und buche mir über Booking.com ein Hotelzimmer in Barcelos. Noch so eine Nacht will ich jedenfalls nicht mehr erleben. Ich habe Glück. Ein Zimmer in einem Hotel, direkt im Stadtzentrum ist frei. Klick und gebucht. Mit solchen Aussichten geht es sich gleich mal besser!








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